Das tägliche Gedankenkarussell zum Schweigen bringen

Hallo liebe LeserInnen,

heute möchte ich Dir von meinem Aufenthalt im Kloster Benediktushof berichten, in das ich für vier Tage zum Schweigen gegangen bin.

“Waaaaaaaassss? Du gehst vier Tage in ein Kloster zum Schweigen? Kannst Du das überhaupt?”

So oder so ähnlich waren einige Kommentare, als ich erzählte, was ich vorhabe. Ja, ich weiß, dass wirkt zunächst einmal seltsam, bin ich doch eine redselige Person 🙂 Aber Menschen, die kommunikativ sehr stark sind, können auch sehr gut schweigen und daher ist mir das überhaupt nicht schwergefallen. Im Gegenteil: ich fand es großartig!

Aber der Reihe nach. An einem Donnerstag im August reiste ich mit einem kleinen Koffer in Würzburg an, stieg in ein Taxi und bereits dort fing das Schweigen an. Ich glaube, ich hatte vorher noch nie mit einem Taxifahrer so wenig gesprochen wie bei meinem Klosteraufenthalt. Adresse sagen, bezahlen, Quittung geben lassen und fertig.

Im Kloster angekommen, sprach ich dann doch ein paar Worte, nämlich mit den Damen vom Empfang, die mir ein paar Sachen erklärten. Dann trug ich mich in die Liste der zu erledigenden Arbeiten im Kloster ein und begab mich auf mein Zimmer. Schnell auspacken, dann nach draußen, die Umgebung bei strahlendem Sonnenschein entdecken. Jedem anderen Gast, den ich traf, nickte ich kurz zu, das war aber auch schon alles.

Um kurz vor 18h traf ich dann im Speiseraum ein, um mich zu dem Tisch mit dem Hinweiszettel “Einführung in die Kontemplation” zu begeben. Das ist nämlich der Name des Kurses gewesen.

Kontemplation bedeutet “geistige Versenkung, konzentriertes Nachdenken”.

Uns wurde dann kurz erklärt, dass wir alle so lange hinter den Stühlen am Tisch stehend warten sollen, bis immer alle da sind. Denn in einem Kloster lebt man in einer Gemeinschaft und denkt auch an die anderen.

Als dann alle da waren, setzen wir uns hin und das Essen begann. Da hatte mein Ego schon das erste Mal etwas zu meckern. Es gab seiner Meinung nach zu wenig Auswahl und wenn jemand kein Käse mögen würde, hätte die Person ja schon einmal ein Problem bei der geringen Ausweismöglichkeit, wurde mir als einer von unzähligen Gedanken mitgeteilt. Ich wies mein Ego dann daraufhin, dass ich aber Käse sehr gerne mag und das Essen für mich daher kein Problem darstelle. Schweigen…

Um 18.30h war das Essen beendet und so schweigend wie wir es eingenommen haben, so schweigend standen wir dann auch auf und gingen zu dem Raum, in dem wir bis Sonntag nun viele schweigende Stunden zubringen würden. Es gab für jeden ein großes Kissen auf dem Boden mit einem Namensschild davor, so dass sich jeder seinen Platz individuell mit Stuhl, Meditationskissen, Meditationsbank und Decken einrichten konnte. Danach hatten wir noch Zeit für uns, bis es um 19.30h losging.

Wir setzen uns alle auf unsere Kissen und die Kontemplationslehrerin erklärte den weiteren Ablauf. Wir hörten einfach nur zu. Dann setzten wir uns mit dem Gesicht zur Wand und saßen so 20 Minuten lang schweigend. Danach gab es durch zwei schmale Holzblöcke, die die Assistentin der Lehrerin aneinander schlug, das Zeichen, nun ganz langsam für weitere zehn Minuten eine Gehmeditation zu absolvieren. Die schmalen Holzblöcke kamen nach diesen zehn Minuten als Zeichen der Beendigung wieder zum Einsatz und wir setzten uns noch einmal für 20 Minuten mit dem Gesicht zur Wand. Damit endete unsere erste Einheit in dem Raum und alle verließen ihn. Jeder durfte dann den restlichen Abend nach eigener Wahl beenden.

Am nächsten Morgen trafen wir uns um 6Uhr in einem kleinen Hof zu einer 20minütigen schnellen Gehmeditation. Die Assistentin hatte uns vorher gesagt, dass es ein schnelles Gehen wäre, aber diejenigen, die langsamer gehen wollten, können das natürlich tun. Ich marschierte also los, um dann nach kurzer Zeit von jemandem überholt zu werden. Das passte meinem Ego überhaupt nicht, so dass ich anfing zu beschleunigen, bis ich mit einem Mal dachte: “Hallo, ich bin doch hier nicht in einem Wettbewerb!”

Es war für mich sehr interessant zu beobachten, was mein Ego so alles veranstaltete, um mir diesen Aufenthalt madig zu machen. Die anfängliche Nörgelei über das Essen, das Beschleunigen bei der Gehmeditation, das gedankliche Abschweifen zur nächsten Woche, wo ich dann zum Gardasee gefahren bin, derweil mit traumhaften Farben die Sonne aufging.

Wie viele Sonnenaufgänge habe ich wohl in meinem Leben bereits verpasst, weil ich mit meinen Gedanken nicht im Moment, sondern schon Tage weiter war?

Zum Glück wird das einem aber sehr schnell bewusst, denn es gibt keine Ablenkung durch andere Personen in Form von Gesprächen. Und so gelang es mir, immer mehr auf viele Nuancen zu achten, vor allem in der Natur, da das Wetter zu einem Aufenthalt im Freien einfach einlud.

Nach der Gehmeditation ging es wieder in den Raum und bis 7.30Uhr wechselte es mit dem Sitzen zur Wand oder der langsamen Gehmeditation ab. Nach dem Frühstück um 8Uhr wurden wir alle von der Hauswirtschaftsdame in unsere Aufgaben eingeteilt und da ich für den Mittagstisch zuständig war, hatte ich bis 9.30Uhr frei. Ich verbrachte die Zeit, indem ich mich nach draußen auf eine Bank setzte, in einem Buch las oder gar nichts tat.

Um 9.30Uhr ging es dann im Raum weiter wie am Abend davor, lediglich unterbrochen in Form eines tollen Vortrags seitens unserer Lehrerin. Sie sprach, wir schwiegen. Um 12Uhr erklang dann der Gong für alle und es gab Mittagessen. Nach dem Essen half ich in der Küche, wo auch gesprochen werden durfte, denn schließlich mussten wir ja nachfragen, was wir genau zu tun hatten. Aber es war sehr interessant festzustellen, dass wir alle nur das Notwendigste fragten und sagten.

Dann hatten wir bis 14.30 Uhr wieder frei und ich erkundete den dortigen Buchladen. Auch dort darf gesprochen werden, aber auch da wieder das gleiche wie vorher: jeder sprach nur das Notwendigste. Um 14.30Uhr fanden wir uns dann wieder zur 20minütigen Gehmeditation ein und danach ging es bis 18Uhr in den Meditationsraum. Dieses Mal gab es die Möglichkeit mit der Lehrerin zu sprechen und zwar in einem Nebenraum, in den uns die Assistentin dann einzeln führte. Währenddessen schauten alle anderen weiterhin schweigend zur Wand oder übten sich schweigend im langsamen Gehen.

Der Freitag nachmittag war der Augenblick, an dem ich mir die Frage stellte, was ich hier eigentlich mache. Mein Ego ging mir mit seinen Dauerkommentaren, mit seinen Versuchen, mich aus der Meditation zu holen, einfach nur auf die Nerven. Ständig zwickte mich etwas, mein Rücken schmerzte, ich musste mich kratzen usw. Das ging mir alles so auf den Wecker, dass ich meinem Ego schlussendlich gesagt habe, dass ich ihm den Hals umdrehen würde, wenn er jetzt nicht Ruhe gebe. Schließlich hätte ich ihn nicht darum gebeten mit ins Kloster zu kommen. Er hätte auch einfach zu Hause bleiben können.

Dazu musst Du wissen, dass ich mein Ego personalisiert habe. Ich habe ihn mir im Laufe der letzten sechs Jahre so klar und deutlich gemacht, damit er nicht mehr die Möglichkeit hat, im Verborgenem zu arbeiten. Er ist ein zehnjähriger, hübscher, braunhaariger Junge, der sehr clever ist, sich aber auch schnell langweilt. Früher hat er sehr viel Aufmerksamkeit von mir bekommen, was ihm sehr gefiel. Wir hielten uns meistens im Außen auf und wollten bei den anderen auffallen. Das alles hat sich aber grundlegend geändert, so dass mein Ego nur noch sehr wenig Aufmerksamkeit von mir bekommt, was ihm überhaupt nicht passt. Das lässt er mich dann auch noch manchmal spüren, aber mittlerweile erkenne ich das sehr gut und kann mich dann direkt damit befassen.

Umso mehr hat er mich also an diesem Freitag genervt und ich war erschrocken, mit was er alles um die Ecke kam. Ich war gedanklich beim Syrienkrieg, im Urlaub, bei einer ehemaligen Freundin, in meiner jetzigen Beziehung, bei früheren Beziehungen, bei meinem zweiten Buch usw. usw. Meine Güte, was war ich genervt von diesem Wirr-Warr in meinem Kopf 🙁 Abends bin ich dann erschöpft ins Bett gefallen.

Am Samstag dann der gleiche Ablauf wie am Freitag, nur mit der Änderung, dass wir die 20minütige Gehmeditation um 14.30Uhr eigenständig auf dem Gelände machen durften und diese auf 30 Minuten ausgedehnt wurde. Irgendetwas war an diesem Samstag aber anders als am Tag zuvor. Die Gehmeditation war ein absoluter Traum und ich hatte das Gefühl, eins mit Gott, mit Jesus, mit dem Universum, einfach eins mit allem und allen zu sein. Und dann auch im weiteren Verlauf des Nachmittags merkte ich, dass ich mich auf eine andere Ebene zubewegt hatte. Es war ein eklatanter Unterschied zum Freitag. Ich war begeistert!

Mein Ego plapperte bestimmt noch vor sich hin, meine Gedanken liefen weiterhin wie auf einem Band ab, genauso wie es eine Gefühlswelt in mir gab. Aber all das war weit, weit weg, lief ohne mich ab. Ich bin durch meine Meditationszeit, die ich seit ein paar Jahren mehrmals die Woche absolviere, schon in der Lage, nicht ständig auf diesem Gedankenkarussell mitzufahren. Und auch die Gefühlsachterbahnfahrten liegen schon viele Jahre hinter mir. Aber so wie ich es an diesem Samstag da im Kloster empfunden habe, mir eine andere Ebene meines Seins, des Universums, von Alles-das-was-ist bewusst geworden ist, so war das noch nie. Und das war ein unglaublich schönes Gefühl, was ich immer noch in mir trage und mir zwischendurch im Alltag gerne bewusst mache 🙂

Am Sonntag morgen gab es dann noch die morgendliche Gehmeditation, das Frühstück, das Sitzen zur Wand, das langsame Gehen, einen Vortrag und dann durften wir Fragen stellen. Ein paar haben sich auch gemeldet und etwas gefragt, aber auch dieses Mal stellte ich wieder fest, dass nur so wenig wie möglich gefragt wurde. Danach machten wir zu einem wundervollen Lied einen Gemeinschaftstanz, der mich emotional sehr berührt hat und dann räumten wir alles wieder weg. Es gab noch ein gemeinsames Mittagessen und danach wurde das Schweigen für alle aufgehoben.

Das fand ich aber ganz schrecklich! Mit einem Mal schwoll in einer unglaublichen Lautstärke ein Stimmengewirr an, so dass ich innerhalb von 30 Sekunden den Speisesaal verließ, um mich draußen wieder in die Sonne zu setzen und auf mein Taxi zu warten. Mit vier anderen Gästen des Klosters fuhr ich also wieder schweigend nach Würzburg zurück und stieg gegen 15Uhr in meinen Zug nach München.

Alles in allem kann ich nur sagen, dass es eine fantastische Erfahrung war, eine der besten, die ich bis jetzt in meinem Leben gemacht habe. Ich bin davon so begeistert, dass ich mich bereits für 2017 für fünf weitere Termine im Benediktushof angemeldet habe 🙂

Ich würde es jedem empfehlen, so ein Wochenende zu machen, denn es ist einfach nur schön, mal nicht zu reden. Keine (oberflächliche) Konversation halten zu müssen, weil man denkt, man muss jetzt unbedingt die Stille, das Schweigen überbrücken. Nein, dass musst Du nicht, denn an diesem Ort ist diese Stille sogar erwünscht.

Ich habe Dir eine sehr schöne Achtsamkeitsübung aus dem Kloster mitgebracht, die Du auf dem Bild bereits sehen kannst:

“Jede Tür mit der Hand aufmerksam und sanft öffnen. Und dann auch wieder mit der Hand aufmerksam und sanft schließen.”

Eine ganz einfache und simple Übung, aber doch so wertvoll. Vor allem fiel mir dabei auf, wie oft ich eine Tür schon unachtsam und eher weniger sanft ins Schloß habe fallen lassen. Dabei hat eine Tür doch eine Klinke 🙂

Nutze also den heutigen oder morgigen Tag doch einmal dazu, jede Tür, die Du anfasst, mit Deiner ganzen Aufmerksamkeit zu öffnen und auch wieder zu schließen. So, als ob Du in dem jeweiligen Moment nichts anderes zu tun hättest!

Falls Du Fragen an mich hast bzgl. einer Einführung in die Kontemplation, schreibe mir einfach. Ich antworte gerne.

Enjoy your day & Get On!

Herzlichst Kim 🙂

6 Gedanken zu „Das tägliche Gedankenkarussell zum Schweigen bringen“

  1. Hallo Kim,
    Danke für deine Erfahrungen aus deinem Aufenthalt im Kloster. Ich selbst habe/beschäftige mich mit Daishin ZEN und hab vor einigen Jahren in einem Kloster ein Wochenende mit ähnlichen Inhalten unter dem Thema ZEN für Führungskräfte absolviert… Teuer zwar, aber hilfreich! Leider fehlt es an der nötigen Disziplin regelmäßig zu “sitzen”, was ja in der Summe der Stressbewältigung helfen soll. Für die Übungen der Achtsamkeit empfehle ich Allen einen Hund 🙂 dieser ist gerne bei Wind und Wetter bereit zu unterstützen!
    Im Übrigen finde ich deine Apps von denen ich (fast) alle habe für ich sehr hilfreich und ansprechend, habe lange gesucht, danke dafür.
    Viele Grüße!
    Dieter

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  2. Ganz wunderbar Deine Achtsamkeitsübung liebe Kim. Der Blick in die Vergangenheit darf immer verständnisvoller werden und der in die Zukunft zuversichtlicher und friedlicher. Und das kann ich nur leben, wenn ich im Hier und Jetzt bin. Schön und wahr, im Alltag fehlt mir manchmal die Zeit allein, um durchzuatmen mit voller Stelle und Alleinerziehende. Seit fast zwei Jahren mache ich regelmäßig in jeder Arbeitspause eine Meditation von Dir, mindestens 20 Minuten. Die brauch ich um loszulassen. Danke von Herzen liebe Kim ❤️. Liebe Grüße und einen schönen zweiten Advent von Carmen ( grad in Augsburg 😃)

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  3. Danke für diese wunderbare Übung. Sie kommt für mich genau zur richtigen Zeit. Gerade Letzt Woche habe ich mir Gedanken dazu gemacht, wie ich achtsamer essen kann. Die Rosinenübung kannte ich schon, aber die Fragen finde ich sehr hilfreich.
    Liebe Grüße,
    Barbara Schmidt-Ontyd

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